Fassaden
Damals war das so. Das Haus meiner Eltern war auf der „Wetterseite“ mit Eternit verkleidet. Eternit ist der vom lateinischen aeternitas (Ewigkeit) abgeleitete Markenname für einen asbesthaltigen Faserzement, der das Mauerwerk vor Wind und Regen schützen sollte. Schön war das nicht, aber praktisch, wenn man davon ausging, dass das Wetter immer nur von dieser Seite kam.
Hübsch war die Sicht auf das Haus von der Straßenseite aus. Große Fenster, die viel Licht ins Innere ließen, eine Terrasse und ein Balkon im oberen Stockwerk, mit Blumenkästen, aus denen ein feuriges Rot Signale in die Welt schickte. Die Balkon- und Terrassennischen waren in einem warmen Braunton gestrichen, der Geborgenheit signalisierte.
Die beiden anderen Seiten des Hauses waren schmucklos und unspektakulär. Zwei Seiten, die so ein Haus halt braucht, um als Haus durchzugehen.
Unser Haus ähnelte ein bisschen den wenigen anderen Häusern drum rum. Es waren alles Zweifamilienhäuser, gebaut, um eine Eltern- und eine Großelterngeneration aufzunehmen, mit der Vorstellung, dass eines Tages die Kinder und Kindeskinder darin leben werden. Und trotz der Ähnlichkeit hatte jedes Haus sein eigenes, unverwechselbares Gesicht.
Auch wenn die Bausubstanz bestehen blieb, änderte sich durch das Leben in den Häusern im Lauf der Jahre ihr Charakter. Wenn man einen Blick oder ein Gespür dafür hat, spiegelt so ein Bauwerk all das wider, was in seinem Inneren passiert. All die Dramen und Tragödien, all die Liebe und Leidenschaft, die Lebendigkeit kleiner Kinder und die Ruhe und Weisheit alter Menschen.
An all das musste ich denken, als Carola nach langen Momenten des Schweigens unvermittelt sagte: „Was würde ich dafür geben, einmal hinter Deine Fassade schauen zu können!“ Deshalb konnte sie auch gar nichts damit anfangen, als ich ihr antwortete: „Du bist über die Wetterseite zu mir gekommen. Komm, ich zeig Dir meinen Balkon.“ Nach einer Weile des Nachdenkens meinte sie: „Das ist doch auch wieder nur Fassade!“ „Ja, aber die Balkontür steht offen und Du bist eingeladen reinzukommen, wenn Du soweit bist.“
Letztlich war es so, dass Carola nie eingetreten ist. Sie konnte einfach nicht genug kriegen von diesem prächtigen Rot der Geranien.
Es gab genügend Menschen in meinem Leben, die an meiner langweiligen Rückseite, an meiner gepanzerten Wetterseite oder an meiner aufgebrezelten Vorderseite stehen blieben und kehrt machten. Es gab auch welche, die versuchten alle Wände einzureißen, um einen Blick auf das nackte Innere zu erhaschen, weil sie es scheuten dieses Innere mitzuerleben und lieber von außen draufschauten, um es zu bewerten.
Und dann gab es Monika, die über die Terrassentür in mein Leben trat. Die teilhaben wollte an meinem Leben, so wie es war. Mit der ich alle meine Zimmer erkundete und die wusste, dass alles das gar nicht möglich wäre ohne die Außenwände meines Gebäudes, die dem Inneren Geborgenheit schenkten. Es wäre auch alles gut gewesen, hätte sie nicht eines Tages gefragt: „Was hast Du eigentlich in Deinem Keller?“
* alle Namen geändert und eh nur Metaphern
Damals war das so. Das Haus meiner Eltern war auf der „Wetterseite“ mit Eternit verkleidet. Eternit ist der vom lateinischen aeternitas (Ewigkeit) abgeleitete Markenname für einen asbesthaltigen Faserzement, der das Mauerwerk vor Wind und Regen schützen sollte. Schön war das nicht, aber praktisch, wenn man davon ausging, dass das Wetter immer nur von dieser Seite kam.
Hübsch war die Sicht auf das Haus von der Straßenseite aus. Große Fenster, die viel Licht ins Innere ließen, eine Terrasse und ein Balkon im oberen Stockwerk, mit Blumenkästen, aus denen ein feuriges Rot Signale in die Welt schickte. Die Balkon- und Terrassennischen waren in einem warmen Braunton gestrichen, der Geborgenheit signalisierte.
Die beiden anderen Seiten des Hauses waren schmucklos und unspektakulär. Zwei Seiten, die so ein Haus halt braucht, um als Haus durchzugehen.
Unser Haus ähnelte ein bisschen den wenigen anderen Häusern drum rum. Es waren alles Zweifamilienhäuser, gebaut, um eine Eltern- und eine Großelterngeneration aufzunehmen, mit der Vorstellung, dass eines Tages die Kinder und Kindeskinder darin leben werden. Und trotz der Ähnlichkeit hatte jedes Haus sein eigenes, unverwechselbares Gesicht.
Auch wenn die Bausubstanz bestehen blieb, änderte sich durch das Leben in den Häusern im Lauf der Jahre ihr Charakter. Wenn man einen Blick oder ein Gespür dafür hat, spiegelt so ein Bauwerk all das wider, was in seinem Inneren passiert. All die Dramen und Tragödien, all die Liebe und Leidenschaft, die Lebendigkeit kleiner Kinder und die Ruhe und Weisheit alter Menschen.
An all das musste ich denken, als Carola nach langen Momenten des Schweigens unvermittelt sagte: „Was würde ich dafür geben, einmal hinter Deine Fassade schauen zu können!“ Deshalb konnte sie auch gar nichts damit anfangen, als ich ihr antwortete: „Du bist über die Wetterseite zu mir gekommen. Komm, ich zeig Dir meinen Balkon.“ Nach einer Weile des Nachdenkens meinte sie: „Das ist doch auch wieder nur Fassade!“ „Ja, aber die Balkontür steht offen und Du bist eingeladen reinzukommen, wenn Du soweit bist.“
Letztlich war es so, dass Carola nie eingetreten ist. Sie konnte einfach nicht genug kriegen von diesem prächtigen Rot der Geranien.
Es gab genügend Menschen in meinem Leben, die an meiner langweiligen Rückseite, an meiner gepanzerten Wetterseite oder an meiner aufgebrezelten Vorderseite stehen blieben und kehrt machten. Es gab auch welche, die versuchten alle Wände einzureißen, um einen Blick auf das nackte Innere zu erhaschen, weil sie es scheuten dieses Innere mitzuerleben und lieber von außen draufschauten, um es zu bewerten.
Und dann gab es Monika, die über die Terrassentür in mein Leben trat. Die teilhaben wollte an meinem Leben, so wie es war. Mit der ich alle meine Zimmer erkundete und die wusste, dass alles das gar nicht möglich wäre ohne die Außenwände meines Gebäudes, die dem Inneren Geborgenheit schenkten. Es wäre auch alles gut gewesen, hätte sie nicht eines Tages gefragt: „Was hast Du eigentlich in Deinem Keller?“
* alle Namen geändert und eh nur Metaphern