Schmetterlinge
Birte ist eine sehr engagierte Umwelt- und Klimaschützerin. Ich bewundere das, weil ihr Einsatz weit über das hinausgeht, was ich in dieser Beziehung zu leisten imstande bin. Während mein innerer Schweinehund sich stur stellt und regelmäßig seinen Napf voll Fleisch einfordert, ist Birte schon seit Jahren leidenschaftliche Veganerin. Ich erinnere mich, dass die Umstellung nicht leicht war, besonders für Carsten, ihren langjährigen Lebensgefährten. Trotzdem hat es mich schon erstaunt, als ich kürzlich gehört habe, dass sich Birte von ihm von einem Tag auf den anderen getrennt hat, nachdem sie ihn in flagranti mit Roswitha, der Betreiberin der Currywurstbude ums Eck, erwischt hat. Wir hatten uns schon lange nicht mehr gesehen. Umso größer war die Freude als wir uns letzte Woche über den Weg gelaufen sind. Birte kam gerade vom Marienplatz, wo sie tatkräftig die jungen Leute von „Fridays for Future“ unterstützt hat. Und ich hatte gerade nach langer Zeit mal wieder einen Stammtisch mit ein paar alten Spezln aus den Endsiebzigern, die gerade die Initiative „Punks for no Future“ gegründet hatten. Ich selbst bin da immer hin- und hergerissen. Gerade wenn ich mir überlege, dass ja auch die Zukunft eine Vergangenheit haben wird. Meine Versuche, eine Bewegung „More Future for the Aged“ zu gründen war bisher nicht von Erfolg gekrönt. Birte und ich gingen auf einen Hafermilch-Cappuccino ins „Café Vollkoana“. Ein wenig war es wie damals, als wir völlig berauscht von der Parole „Petting statt Pershing“ die große Abrüstungsdemo geschwänzt hatten. Heute aber war alles bis hierhin ein bisschen mehr verbal. Birte wechselte von totaler Begeisterung für das Engagement der Jugend zu traurigen Elegien über den Zustand der Welt und wieder zurück. In einem Moment holte sie euphorisch einen Zettel aus ihrem Rucksack und erzählte von der neuen Petition gegen den Einsatz von Pestiziden um im nächsten Moment wehmütig zu beklagen, dass es immer weniger Schmetterlinge gibt. „Das liegt an den Veganern“, warf ich gedankenverloren ein und erkannte gleich, dass ich einen Weg gefunden habe, Birtes Redefluss in ein Rinnsal zu verwandeln. Entsetzen und Empörung ließen Birte verstummen, sie rang nach Luft und Worten. „Du weißt doch sicher, wo das Wort Schmetterling herkommt?“, versuchte ich die Situation zu entspannen. Ich erklärte ihr, dass das nichts mit Schmettern zu tun hat, auch wenn der große Arno Schmidt in seinem Roman „Die Gelehrtenrepublik“ die Anmerkung gemacht hat, dass es wohl ein deutscher Idiot gewesen sein muss, der diesem zarten Tierchen, den Namen Schmetter verpasst hat. Nein der Schmetterling hat seinen Namen von dem ostmitteldeutschen Wort Schmetten, das Rahm oder Schmand bedeutet. Auch meine böhmische Oma hat zum Rahm auf der Milch, ja das gab es damals noch, immer Schmeten gesagt. Und die Tiere heißen so, weil sie gerne auf den Rahm fliegen. Bei dem englischen Butterfly ist es genauso. Und weil durch immer mehr Veganer also immer weniger Rahm, Schmand und Butter zur Verfügung stehen, gibt es auch immer weniger Schmetterlinge. „Logisch, oder?“ Ich hatte sie tatsächlich zum Nachdenken gebracht. „Depp!“ war schließlich alles, was ihr dazu einfiel. Das klang irgendwie versöhnlich und um die günstige Stimmung noch weiter zu stabilisieren, hab ich auch noch gleich die Petition unterschrieben. „Und den zweiten Grund für das Verschwinden der Schmetterlinge kennst Du doch auch!“ „?“ „He, es ist Frühling und sie sind in unserem Bauch!“ Das war jetzt noch besser, wie damals der Pershing-Spruch und wir zahlten umgehend. |